Eptinezumab: Neue Hoffnung bei Cluster-Kopfschmerz
Viele Betroffene mit chronischem Cluster-Kopfschmerz fühlen sich allein gelassen – ohne wirksame Therapie und ohne Pause. Eine neue Studie bringt nun vorsichtige Hoffnung: Der Wirkstoff Eptinezumab könnte neue Wege eröffnen.
Eptinezumab in der CHRONICLE-Studie: Erste Erkenntnisse bei chronischem Cluster-Kopfschmerz
Was ist Cluster‑Kopfschmerz?
Cluster‑Kopfschmerz gehört zu den spektakulärsten primären Kopfschmerzerkrankungen und zeigt sich durch extrem heftige, einseitige Schmerzattacken, die plötzlich einsetzen – häufig hinter dem Auge. Diese Attacken treten gehäuft in sogenannten Cluster-Phasen auf, die sich über mehrere Tage oder Wochen ziehen. Für Betroffene ist dieser Schmerz sowohl körperlich als auch psychisch eine enorme Belastung.
Bei episodischen Verläufen folgen nach einer aktiven Phase schmerzfreie Intervalle. Chronische Verläufe hingegen bringen oft monatelange, nahezu ununterbrochene Attacken mit sich, was die Lebensqualität stark mindert.
Aktuelle Therapieoptionen – mit Einschränkungen
In der Akuttherapie kommen vor allem folgende Mittel zum Einsatz:
hochdosierte Sauerstoffgabe
subkutane Sumatriptan-Injektionen
Zur Vorbeugung nutzen Ärzte häufig Verapamil oder Kortikosteroide. Bei therapieresistenten Verläufen werden gelegentlich interventionelle Verfahren wie gezielte neuromodulative Verfahren – z. B. die okzipitale Nervenstimulation (ONS) – oder experimentelle Ansätze in spezialisierten Zentren geprüft.
Auch diese Maßnahmen zeigen nicht bei allen Betroffenen eine ausreichende Wirkung und können mit Nebenwirkungen einhergehen.
Eptinezumab im Überblick
Eptinezumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen CGRP (Calcitonin Gene‑Related Peptide), ein Neuropeptid, das bei Migräne und Cluster‑Kopfschmerz eine Schlüsselrolle übernimmt. CGRP bewirkt Gefäßerweiterungen und fördert entzündliche Reaktionen im Nervensystem. Der Wirkstoff wird alle zwölf Wochen intravenös verabreicht und erreicht rasch stabile Blutspiegel. Für die Migräneprophylaxe ist Eptinezumab in der EU seit 2020 zugelassen; eine offizielle Indikation beim Cluster‑Kopfschmerz besteht hingegen noch nicht.
Wichtig zu wissen: Die Pathophysiologie des Cluster-Kopfschmerzes ist noch nicht abschließend geklärt und gilt als multifaktoriell. Neben CGRP spielen auch der Hypothalamus, das trigemino-autonome Reflexsystem sowie genetische Einflüsse eine Rolle. CGRP stellt somit nur einen von mehreren potenziellen therapeutischen Angriffspunkten dar.
Ziele und Ablauf der CHRONICLE‑Studie
Die offene Phase‑IIIb‑Studie CHRONICLE liefert erste systematische Daten zur Sicherheit von Eptinezumab bei chronischem Cluster‑Kopfschmerz und erfasst gleichzeitig Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit.
Teilnehmende: 131 Erwachsene mit chronischem Cluster‑Kopfschmerz
Dauer: 60 Wochen
Dosierung: 400 mg Eptinezumab alle 12 Wochen i.v.
Primärer Fokus: Erfassung von Nebenwirkungen
Sekundäre Parameter: Änderung der Attackenhäufigkeit, Schmerzintensität (visuelle Analogskala), Lebensqualität (HIT‑6, SF‑36)
Ein Placeboarm war nicht Teil des Studiendesigns, weshalb die Wirksamkeitsbefunde vorläufig bleiben.
Ergebnisse auf einen Blick
💡 Reduzierte Attackenhäufigkeit
Die wöchentliche Zahl der Cluster‑Attacken sank im Durchschnitt um etwa 50 %.
💡 Abnahme der Schmerzintensität
Auf der VAS-Skala wurde ein Rückgang der Schmerzstärke um rund 1,5 Punkte dokumentiert.
💡 Steigerung der Lebensqualität
Standardisierte Befragungen (HIT‑6, SF‑36) offenbarten spürbare Verbesserungen im Alltag und in der allgemeinen Zufriedenheit.
💡 Gutes Sicherheitsprofil
81 % der Studienteilnehmenden berichteten überwiegend milde bis moderate Nebenwirkungen (z. B. Atemwegsinfekte, Müdigkeit); schwere unerwünschte Ereignisse traten nicht auf.
💡 Hohe Studien‑Compliance
Über 80 % der Teilnehmenden beendeten die Studie, lediglich 9 % schieden vorzeitig aus, überwiegend aus persönlichen Gründen.
Relevanz für Betroffene
Die CHRONICLE‑Daten deuten an, dass Eptinezumab für chronisch Erkrankte eine potenzielle neue Behandlungsoption darstellen könnte – insbesondere für jene, die auf bisherige Prophylaxen nicht ausreichend ansprechen. Da jedoch eine Kontrollgruppe fehlt, bleibt unklar, wie groß der tatsächliche Effekt ist.
Aktuell ist Eptinezumab für diese Indikation nicht zugelassen und darf nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden.
Ausblick – Was kommt als Nächstes?
Randomisierte, placebokontrollierte Studien: Unabdingbar, um Wirksamkeit und Placeboeffekt auseinanderzuhalten.
Vergleich mit etablierten Prophylaxen: Head‑to‑head‑Studien gegen Standardtherapien.
Biomarker‑Analysen: Identifikation von Patient:innen, die besonders gut ansprechen.
Langzeitbeobachtungen: Bewertung von Wirksamkeit und Sicherheit über mehrere Jahre.
Tipps für Betroffene und Angehörige
Fachärztliche Konsultation: Suchen Sie spezialisierte Kopfschmerzzentren bzw. Kopfschmerzspezialisten auf.
Studienteilnahme prüfen: Weitere klinische Untersuchungen sind in Planung.
Selbsthilfe: Der Austausch in Gruppen und Online‑Foren kann emotional unterstützen und neue Perspektiven eröffnen.
Forschung als Hoffnungsschimmer bei chronischem Cluster-Kopfschmerz
Die CHRONICLE-Studie liefert erste Hinweise darauf, dass Eptinezumab bei chronischem Cluster-Kopfschmerz eine vielversprechende Behandlungsoption der Zukunft sein könnte – insbesondere für Betroffene, die auf bewährte Prophylaxen unzureichend ansprechen. Auch wenn die Daten bislang nicht aus Placebo-kontrollierten Studien stammen, bieten sie wertvolle Impulse für weitere Forschung und klinische Entwicklung.
Für viele Patienten bedeutet das: Die Wissenschaft bewegt sich voran – und mit ihr wächst die Hoffnung auf individuellere, besser verträgliche Therapieansätze. Bis zu einer möglichen Zulassung bleibt Eptinezumab ein forschungsbasierter Ansatz, der neue Perspektiven eröffnet – und ein Lichtblick für jene, die bislang im Schatten ihrer Erkrankung leben.
Kontakt
Michael Brumme
Gruppenleiter
Cluster Hilfe Brandenburg
Email m.brumme@clusterhilfebrandenburg.de
Telefon 0152 58425912
Quellenangaben
Coppola G, Di Lenola D, Parisi V, et al. Pathophysiology of cluster headache: From the trigeminovascular system to the cerebral networks. Cephalalgia. 2024. DOI: 10.1177/03331024231209317
Tassorelli C, Baraldi C, Sarchielli P, et al. Eptinezumab for chronic cluster headache: results from the open-label CHRONICLE study. Lancet Neurology. 2025;24(5):429–440. DOI: 10.1016/S1474-4422(25)00065-1
Disclaimer
Dieser Artikel dient ausschließlich der neutralen Information und ersetzt keine ärztliche Beratung. Für individuelle Therapieentscheidungen wenden Sie sich bitte an eine Ärztin oder einen Arzt bzw. an medizinisches Fachpersonal. Es werden keine Empfehlungen zu konkreten Behandlungen ausgesprochen.
